Der Doktorand Timothy Imogore entwickelt mit einem Forschungsteam am IAP neuartige Faser-Bragg-Gitter.

Einer von uns

Wieviel weiß man von den Menschen, die unsere Kollegen und Kolleginnen sind? Ein Artikel bei OPICTA online öffnet den Blick!
Der Doktorand Timothy Imogore entwickelt mit einem Forschungsteam am IAP neuartige Faser-Bragg-Gitter.
Foto: Ira Winkler (Universität Jena)

Dies ist eine ganz andere „News“ als wir sonst gewohnt sind zu lesen. Denn es geht diesmal nicht um die neuesten Forschungsergebnisse, sondern um die Menschen dahinter und um das WARUM.

Timothy Oshiobughie Imogore, 1998 in Nigeria geboren, promoviert seit 2018 in der Arbeitsgruppe „Ultrafast Opics“ am Institut für Angewandte Physik (IAP) und kam über ein Stipendium der Abbe School of Photonics (ASP) 2015 nach Jena.

Leben mit der Sharia

Soweit die Fakten, aber für Timothy war dies die Chance seines Lebens und der Start in eine echte Zukunft, die er zuhause so nicht gehabt hätte. Denn seit 2000 gilt die Sharia als Gesetz in seiner Heimat und damit einher veränderte sich für den damaligen 8-Jähringen aus einem christlich geprägten Umfeld alles. Unsicherheit, Tod von Nachbarn, Freunden und mehr als eine lebensbedrohliche Situation bis zu seinem Studium der Physik, zunächst an der Federal University of Technology Minna. Davon spricht er in dem Artikel „Survivor“ der Optica (fomerly OSA) Survivor | OpticaExterner Link.

Die bedrückende Schilderung eines jungen Menschen, der in seiner Heimat so oft schon mit dem Tod konfrontiert – und auch mehrmals unmittelbaren Terror überlebte, macht deutlich, wie uns Konfliktherde – mögen sie auch hunderte Kilometer entfernt sein –  betreffen und welche positiven Impulse wir hier in Jena ganz klar geben. Denn, wie mir Timothy erklärt, hätten seine Eltern das Geld für seine Ausbildung im Ausland nicht aufbringen können. Das Vermögen hätte nicht gereicht, alle der insgesamt vier Geschwister chancengleich zu fördern.

Das ASP-Stipendium als Chance des Lebens

Das Stipendium der ASP war praktisch der Game-Changer für Timothy´s Leben. Von Anfang an fühlte er sich in Jena wohl, trotz oder vielleicht gerade wegen der kulturellen Unterschiede: „Ich habe mich in Jena verliebt. Die Religionsfreiheit in Deutschland ist eine wirklich schöne Sache. Das Fehlen von religiöser und geschlechtsspezifischer Segregation und Diskriminierung war ein Hauch frischer Luft. Ich konnte die Freiheit förmlich riechen. Das Vorhandensein von Sicherheit und Geborgenheit und Wert für das menschliche Leben war tröstlich und beruhigend. Jena war bekannt als die Stadt des Lichts, ein Ort, dessen Geschichte mit Optik und Photonik verbunden ist. Das allein war fesselnd.“

„Integration bedeutet für mich, vieles neu zu erfahren und neugierig zu sein!“

Diese offene Einstellung spiegelt sich auch in Timothy’s Gesicht, wenn er erzählt; von seiner Begeisterung für die Physik und seine Forschungstätigkeit, über die Menschen und Kultur, die er hier kennengelernt hat. Für dieses Gefühl, eine zweite Heimat zu haben, hat er mit Selbstverständlichkeit viel getan: „Freie Sprachkurse, die Angebote der ASP und das Engagement meines persönlichen Mentors Michael Müller auch vom IAP, waren für mich wunderbare Hilfen, mich schnell zurecht zu finden und mich persönlich zu entfalten. Nebenbei habe ich mit Freunden in einer Band Musik gemacht und dort auch meine künftige Frau kennengelernt. Integration bedeutet für mich, vieles neu zu erfahren und neugierig zu sein! Wie gut ich mich mittlerweile integriert fühle, zeigt vielleicht diese kleine Geschichte: In meiner Heimat haben wir niemals Schweinefleisch gegessen, sodass ich Vorbehalte hatte. Aber als ich zum ersten Mal in eine Thüringer Wurst biss, kann ich seither nicht mehr davon lassen – auch wenn meine Verlobte es natürlich lieber hätte, ich wäre Vegetarier!“ lacht Timothy.

Afrika im Herzen

Auch wenn er sich hier gut aufgehoben fühlt, bleibt Nigeria ein großer Teil von ihm – noch ist aufgrund der aktuellen politischen Situation nicht klar, ob seine Eltern bei seiner Hochzeit dabei sein können und für ihn ist ein Besuch in der Heimat lebensgefährlich. Aber er möchte auch junge Afrikaner für Optik und Photonik begeistern: „Ich denke, Bildung ist der Schlüssel für Freiheit und die Überwindung von Gewalt. Außerdem hat auch Afrika das Potenzial, ein Optik- und Photonik-Kraftpaket wie die Vereinigten Staaten und Deutschland zu werden. Meine Vision ist es, das Potenzial junger Afrikaner zu nutzen, um den afrikanischen Kontinent nicht nur in der Optik und Photonik, sondern auch in anderen High-Tech-Bereichen zu einem wichtigen Akteur zu machen."

Warum es wichtig ist, diese Geschichte zu erzählen

Wir haben täglich bei unserer Arbeit mit vielen inspirierenden Menschen Kontakt, die durch ihre ganz anderen Erfahrungen und Sichtweisen den Blick für das öffnen, was wir als alltäglich wahrnehmen. Ihr Engagement kann auch uns motivieren und wir merken durch solche ganz persönlichen Lebensgeschichten, dass es wichtig ist, jungen Menschen eine Chance auf Bildung und Förderung zu geben, sodass Werte wie Gleichberechtigung,  und Demokratie mit Leben gefüllt und gestärkt werden. Offenheit, Toleranz und Neugier machen für uns alle das Leben bunt!

Information

Dieser Text könnte der Beginn einer kleinen Serie über die Menschen im IAP werden, die bereit sind, auch ihre Geschichte mit uns zu teilen, sodass wir in einen wertschätzenden Austausch kommen, der uns alle durch das Gefühl von Zusammengehörigkeit bereichert und auch unseren neuen Kolleginnen und Kollegen in der Integration unterstützt. Wer auch von seinen Beweggründen und Erfahrungen berichten möchte, meldet sich bitte bei ira.winkler@uni-jena.de